Vergütung
Gemeinsame Honorarempfehlung für Honoraruntergrenzen bei BKM-Förderung
Deutsche Jazzunion, März 2025
Die deutsche Szene für Jazz und improvisierte Musik ist von internationalem Renommee. Dennoch sind wirtschaftlich instabile Verhältnisse weiterhin die Lebensrealität vieler Jazzmusiker*innen bedingt durch zu niedrigen Einkommen und einer lückenhaften sozialen Absicherung (vgl. Bericht zur Lage des Jazz in Deutschland 2024).
Die Deutsche Jazzunion hat 2016 als erster Genreverband eine eigene Mindestgagenempfehlung eingeführt. Diese Empfehlung, die kontinuierlich angepasst wurde und die sich an den gezahlten Gagen orientierte, war ein wichtiger Schritt, um in der Szene und mit der Politik ins Gespräch über angemessene Vergütung zu kommen. Seitdem wurden mit der Einführung des Spielstättenprogrammpreises APPLAUS auf Bundesebene mit dem Musikfonds und dem Deutschen Jazzpreis wichtige Impulse für die Sichtbarkeit und Förderung des Jazz und improvisierter Musik gesetzt. Und auch auf Landes- und Kommunalebene wurden Verbesserungen bei der Jazzförderung erzielt.
Doch Einbrüche während der Corona-Pandemie (vgl. Jazzstudie 2022) sowie die dynamische Entwicklung der Inflationsrate verschärfen die wirtschaftliche Lage zahlreicher Jazzakteur*innen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zunehmend. Die Lage ist für viele Betroffene existenzbedrohend und für den Sozialstaat nicht auf Dauer tragbar.
In den letzten Jahren hat sich die Deutsche Jazzunion intensiv in den Prozess der Erarbeitung einer Honoraruntergrenzenempfehlung in der AG Faire Vergütung des Deutschen Musikrat eingebracht. Seitdem zum 1. Juli 2024 die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien eine Richtlinie für Honoraruntergrenzen im Bereich der öffentlichen Förderung eingeführt hat, ist es umso wichtiger, sich als Musikverbände vereint für eine angemessene Vergütung einzusetzen.
Mit dem Ziel einer nachhaltigen Verbesserung sowie Gewährleistung eines existenzsichernden Einkommens von Jazzmusiker*innen schließt sich die Deutsche Jazzunion nun ausdrücklich der gemeinsamen Empfehlung des Deutschen Musikrats für eine Honoraruntergrenze an.
Diese sieht folgende Honoraruntergrenzen für die Jahre 2025 und 2026 vor:
- 300 Euro Tagessatz
→ gilt sowohl für Proben- als auch Konzerttage
Die Summe ist als Kompromiss zu betrachten, der unter den aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen eine auskömmliche Rente sichert.
Ein existenzsichernder Tagessatz läge allerdings bei 622 Euro, um ein angemessenes Einkommen zu gewährleisten.
Für aus öffentlichen Mitteln geförderte Festivals sieht die Deutsche Jazzunion darüber hinaus eine Mindestgage von 600 Euro pro Person als angemessen an.
Hinweise:
- Mindestgagen sind keine Tarifsätze und dürfen nicht als Obergrenzen verstanden werden. Gagen werden grundsätzlich frei verhandelt.
- Die genannten Mindestgagen sind Nettobeträge. Umsatz- und Ausländersteuer, anfallende Reise-, Hotel- und Verpflegungskosten sowie GEMA- und KSK-Abgaben übernehmen die Veranstalter*innen bzw. Auftraggeber*innen zusätzlich.
- Die fortlaufende Preissteigerung ist zu berücksichtigen (Inflationsausgleich).
Die gesamte Honoraruntergrenzenempfehlung des Deutschen Musikrats ist hier als Download (PDF) sowie hier auf der Website des Deutschen Musikrats zu finden.
Darüber hinaus empfiehlt die Deutsche Jazzunion folgende Honoraruntergrenzen:
- Auftragskompositionen sollten mit mindestens 150 Euro pro Spielminute vergütet werden.
- Bei Konzerten mit Rundfunkmitschnitt sollte der Verkauf von Senderechten zusätzlich zur Konzertgage gesondert verhandelt und mit mindestens 1.500 Euro pro Konzert vergütet werden.
- Das Mindesthonorar für Dozent*innentätigkeiten in Landes- und Bundesakademien sowie Landesjugendjazzorchestern und dem Bundesjazzorchester sollte mindestens 400 Euro pro Tag betragen.
Aufgabe der Politik
Um das Potenzial der Jazzszene in Deutschland voll zu entfalten und langfristig zu ermöglichen, bedarf es einer aktiven Partnerschaft zwischen allen Szeneakteur*innen und der Politik. Die vom Deutschen Musikrat empfohlene und von der Deutschen Jazzunion befürwortete Honoraruntergrenze kann nur ein Teil der Lösung sein und darf keinesfalls als hinreichend aufgefasst werden.
Ausreichende Einkommen, die auch eine finanzielle Absicherung für Erwerbslosigkeit und Alter ermöglichen, können von den Akteur*innen der Jazzszene nicht aus eigener Kraft, sondern nur mit breiter politischer Unterstützung auf Ebene der Kommunen, der Länder und des Bundes erreicht werden. Insbesondere die Politik ist gefragt, Wege zur schrittweisen Zielerreichung zu gestalten.
Zentrale Bedeutung kommt u. a. folgenden Diskussionspunkten zu:
- Künstlersozialkasse: Die Künstlersozialkasse (KSK) ist ein wertvolles und unverzichtbares Instrument zur sozialen Absicherung auch von Jazzmusiker*innen. Sie übernimmt den Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungsbeiträge von selbstständigen Künstler*innen. Mit Blick auf die in den seltensten Fällen ausreichende Altersvorsorge sollte ein Ausbau der Leistungen der Künstlersozialkasse erörtert werden.
- Finanzielle Ausstattung von Spielstätten und Förderinstrumenten: Eine den Anforderungen an eine eigenständige soziale Absicherung und Altersvorsorge entsprechende Anhebung des Gagenniveaus erfordert eine grundsätzlich bessere finanzielle Ausstattung nicht nur von Förderinstrumenten, sondern gerade auch von Spielstätten. Diese sind Keimzelle und Herz einer lebendigen Jazz-Szene und stehen unter immer stärkerem, insbesondere finanziellem Druck.
- Orientierung an Tarifverträgen: Staatlich finanzierte akademische Ausbildungen müssen auch im Jazz zu angemessenen, mit anderen akademischen Berufen vergleichbaren Erwerbsmöglichkeiten führen. Im klassischen Konzertbetrieb hat sich eine widerstandsfähige, institutionalisierte Infrastruktur entwickelt, in der Musiker*innen nach Tarifverträgen vergütet werden und uneingeschränkt sozial abgesichert sind. Auch im Jazz kann eine Orientierung an Tarifverträgen, etwa am TVÖD, langfristig sinnvoll sein und sollte diskutiert werden.
- Rentensystematik: Erwerbseinkommen müssen Altersvorsorge ermöglichen. Damit Jazzmusiker*innen eine mit der Gesamtheit der Bundesbürger*innen vergleichbare Rente erwirtschaften können, ist eine Verdopplung des aktuellen Durchschnittseinkommens der Jazzmusiker*innen oder eine Anpassung der Rentensystematik notwendig.
- Grundrente: Die Systematik der Grundrente als Teil der Grundsicherung schließt einen Großteil der Jazzmusiker*innen aus, da die Zugangsbedingungen oftmals nicht erfüllt werden können. Hier bedarf es Änderungen. Die Jazzstudie 2022 zeigt: Rund ein Drittel der Jazzmusiker*innen haben ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von unter 10.000 Euro.
Als Deutsche Jazzunion setzen wir uns gemeinsam mit allen Szene-Akteur*innen für eine spannende, vielfältige und vitale Jazz-Live-Kultur ein. Die gemeinsame Honoraruntergrenzenempfehlung betrifft formal nur Projekte und Institutionen, die zu mind. 50 Prozent durch öffentliche Mittel auf Bundesebene gefördert werden. Unsere jahrelangen Bemühungen haben zum Ziel, auf allen Ebenen eine bessere Vergütung zu erreichen ohne das Wegbrechen der Strukturen. Die Einführung der Honoraruntergrenzen auf Bundesebene sehen wir als wichtigen Schritt, der offen mit all seinen Facetten diskutiert werden muss. Die genannten Mindeststandards für eine faire Vergütung von Jazzmusiker*innen sind als Grundvoraussetzung für eine zukunfts- und widerstandsfähige Jazzlandschaft in Deutschland anzustreben.
Berlin, im März 2025
"Honoraruntergrenzen und angemessene Vergütung im Bereich der musikalischen Bildung und im Musikhochschulbereich"
Vom 16. Oktober 2024
Erarbeitet und herausgegeben vom Deutschen Musikrat
Als Mitglied der AG Faire Vergütung in der Lehre des Deutschen Musikrats war die Deutsche Jazzunion an der Erarbeitung dieser Honoraruntergrenzenempfehlung beteiligt und schließt sich dieser an.
Aus der Empfehlung:
„Die folgenden Empfehlungen sollen Anwendung im Bereich der aus öffentlichen Mitteln geförderten Projekte und Institutionen finden. In Kenntnis der landesspezifischen und regional unterschiedlichen Rahmenbedingungen und finanziellen Situation, z. B. an Musikschulen oder Musikhochschulen, sind die Empfehlungen derzeit sicher nicht sofort umsetzbar, sollen aber mit Unterstützung der jeweiligen Mittelgeber sukzessive angestrebt werden.
Dabei ist zu bedenken, dass Honoraruntergrenzen nicht per se als angemessen oder fair gelten, sondern der Vermeidung von prekärer Beschäftigung dienen. Nachdrücklich empfohlen werden daher angemessene Honorare im Sinne einer fairen und auskömmlichen Vergütung. Beide Empfehlungen werden jährlich aktualisiert und an die Tarifsteigerungen des öffentlichen Dienstes angepasst. Eine Veröffentlichung ist jeweils zum Ende des Vorjahres geplant.“
Honorarempfehlungen im Bereich der musikalischen Bildung 2024
Die folgenden Honorarsätze werden für Musikpädagog*innen und Lehrbeauftragte empfohlen:
Honoraruntergrenze | Angemessene Vergütung | |
45 Minuten | 54 € | 65€ |
60 Minuten | 72€ | 87€ |
Die gesamte Honoraruntergrenzenempfehlung ist hier als Download (PDF) sowie hier auf der Website des Deutschen Musikrats zu finden.