Willenserklärung von Musiker*innen und Veranstalter*innen im Jazz zur Mindestgagenempfehlung 2014
Deutschland verfügt über eine der künstlerisch kreativsten, vitalsten und produktivsten Szenen im Bereich des Jazz und der aktuellen improvisierten Musik in Europa. (1)
Damit diese zur Geltung kommen kann, bedarf sie jedoch einer Jazz-Live-Kultur, zu deren existentiellen Bedingungen eine aktive Partnerschaft zwischen Spielstätten, Festivalveranstalter*innen und Musiker*innen gehört. Spielstätten des Jazz sind Keimzelle und Herz einer lebendigen, vielfältigen und spannenden Jazz-Szene, deren Erhalt und Weiterentwicklung wesentlich auf Live-Darbietung angewiesen ist.
In den vergangenen Jahren hat sich die finanzielle Situation der Spielstätten und Initiativen zunehmend verschlechtert. Aufgrund steigender Kosten und Abgaben in Verbindung mit stagnierender oder zurückgehender Förderung durch Länder und Kommunen, mussten einige Spielstätten und Initiativen ihr Programmangebot reduzieren, kommerzialisieren oder sogar ganz einstellen. Derzeit ist es Musiker*innen im Jazz kaum möglich, durch Konzerte und Tourneen Honorare zu erzielen, die ihnen eine intensive und nachhaltige Konzentration auf die Entwicklung ihrer Musik gestattet.
Ziel dieser Willenserklärung von Musiker*innen und Veranstalter*innen ist es daher, ein Signal für die Unterstützung der Jazz-Live-Kultur zu setzen und deutlich zu machen, welche Mindeststandards einerseits bei der Spielstättenförderung und andererseits bei den Bedingungen für die ausübenden Künstler*innen erreicht werden müssen, um langfristig das künstlerische und kulturelle Potential zu erhalten und weiter zu entwickeln.
Der Spielstättenprogrammpreis der*des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der 2013 ins Leben gerufen wurde, ist ein zentrales Signal und hat eine wichtige Anreizwirkung für alle Beteiligten. Denn es ist und bleibt in erster Linie die Aufgabe von Kommunen und Ländern, den Betrieb von Spielstätten und die Arbeit der Initiativen zu unterstützen. Durch den Spielstättenprogrammpreis und seine Teilnahmebedingungen wird deutlich, dass 1. qualitativ hochwertige und innovative Live-Musik der öffentlichen Unterstützung bedarf, 2. es kulturpolitisches Ziel ist, Spielstätten zu einer künstlerisch ambitionierten Programmgestaltung zu motivieren und 3. angemessene Rahmenbedingungen und Honorare für die ausübenden KünstlerInnen eine Notwendigkeit sind.
Sowohl die Forderung einer nennenswerten Unterstützung von Spielstätten als auch die Definition von angemessenen Rahmenbedingungen und Honoraren muss daher kollektives Ziel von Veranstaltern und Musikern sein. Die Union Deutscher Jazzmusiker erwartet innerhalb dieser Interessensgemeinschaft aus Musiker*innen und Veranstalter*innen nicht, dass Veranstalter die Ziele allein erreichen. Vielmehr ist es nötig, dass sich beide Seiten gemeinsam dafür einsetzen, dass die Schaffung folgender Bedingungen überhaupt erst möglich wird. Grundlage dafür ist eine angemessene Unterstützung seitens der öffentlichen Hand.
Vor diesem Hintergrund werden gemeinsam die folgenden Standards definiert:
Als Einstiegshonorar für Musiker*innen sind 250 Euro pro Personin Spielstätten sowie 500 Euro pro Person bei Festivals angemessen. Realistisch sind solche Honorare allerdings nur für Spielstätten und Festivals, deren Gesamtausgaben zu mindestens einem Drittel mitöffentlichen Zuschüssen gedeckt werden. Allein durch eigene Einnahmen sind diese Standards insbesondere bei Spielstätten mit entsprechendem hochwertigem Programm kaum realisierbar. Gemeint sind in diesem Zusammenhang:
a) Musiker*innen und Bands im Sinne von professionellen Berufseinsteigern. Es handelt sich um ein Einstiegshonorar und keinen Tarifsatz. Bereits etablierte Künstler*innen werden Gagen frei verhandeln.
b) Bands bis zu der Größe eines Quartettes. Bei Besetzungen darüber wird die Gage pro Person möglicherweise zu senken sein.
c) Konzerte ohne Rundfunkmitschnitte. Der Verkauf von Senderechten muss gesondert verhandelt werden.
d) Gagen als Netto-Honorare. Der*die Veranstalter*in übernimmt je nach Grund und Aufwand zusätzlich entsprechende Steuern (USt), Reise-, Hotel- und Verpflegungskosten. Weitere typische Kosten und Abgaben (Gema, KSK usw.) sind ebenfalls von der*dem Veranstalter*in zusätzlich zu leisten und werden nicht mit dem Honorar verrechnet.
Zu einer nachhaltigen Entwicklung des Jazz in Deutschland gehört ebenso eine angemessene Beteiligung von Musiker*innen bzw. Bands aus Deutschland in den Hauptprogrammen der Jazz-Festivals. Nur wenn die Musiker*innen es sich gemeinsam mit den Veranstalter*innen zur Aufgabe machen, die Qualität des Jazz aus Deutschland im Fokus zu halten und damit beim Publikum Interesse und Neugier zu wecken, sind die Voraussetzungen für eine nachhaltige und lebendige Szene gegeben.
Als Musiker*innen und Veranstalter*innen setzen wir uns gemeinsam für eine spannende, vielfältige und vitale Jazz-Live-Kultur ein und streben die genannten Standards sowohl für eine nachhaltige Spielstättenförderung als auch angemessene Bedingungen für Musiker*innen an.
April 2014
(1) Diese und folgende Situationsbeschreibungen wurden entnommen aus dem Konzept der Bundeskonferenz Jazz „Spielstätten- und Programmpreis Jazz – Zur Förderung freier Spielstätten des Jazz in Deutschland“
Unterzeichner*innen:
Veranstalter*innen
- Deutsche Jazz Föderation e.V. (2)
- Alte Feuerwache Mannheim
- A-Trane Berlin
- b-flat Berlin
- BIX Jazzclub Stuttgart
- Bunker Ulmenwall Bielefeld
- domicil Dortmund
- Donau 115
- FAT JAZZ urban exchange Hamburg
- Galeria Lunar Hannover
- Giessen Improvisers Pool
- GUT e.V. Hannover
- Hildener Jazztage
- Indigo Café Lübeck
- Jazz Folk Klassik in Syke e.V.
- Jazz im Magdeburger Schauspielhaus
- Jazz Schmiede Düsseldorf
- Jazzclub Nordhausen e.V.
- Jazzclub Regensburg
- Jazzclub Singen
- Jazzclub Tonne Dresden
- Jazzclub Villingen e.V.
- Jazzforum_bayreuth
- Jazz Initiative Dinslaken
- Jazzinitiative Eifel e.V.
- Jazz-Initiative Frankfurt am Main e.V.
- Jazzinitiative Marburg e.V. / Jazzclub Cavete
- Jazzinitiative Würzburg e.V.
- Jazzinstitut Darmstadt
- Jazzkeller 69 e.V. Berlin
- Jazzkeller 98 im Schloss Miltach
- Jazzklub Krefeld e.V.
- Jazzkongress e.V. Freiburg
- Jazzmeile Thüringen / Jazzfrühling Jena
- Jazzopen Stuttgart
- Jazztage Dresden
- Jazzverband Baden-Württemberg e.V.
- Jazz-Zirkel Weiden e.V.
- Kaleidoskop Filmforum in Aachen e.V.
- Kammgarn Kaiserslautern
- KLAENG Festival Köln
- Kulturamt Kempen
- Kulturinitiative Wermelskirchen e.V.
- Kleinkunstverein Klecks / Jazzfrühling Kempten
- Kulturstiftung Schloss Agathenburg
- Kulturzentrum Bessunger Knabenschule e.V.
- Kulturzentrum Pavillon Hannover
- Künstlerwerkstatt Pfaffenhofen e.V.
- Kunst und Begegnung Hermannshof e.V.
- Live CV im CVJM Lübeck
- Manufaktur Schorndorf
- MIB Musikerinitiative Bremen
- moers festival
- Offene Ohren e.V.
- PENG Jazzkollektiv PENG Jazzkollektiv
- SchauspielHaus Bergneustadt
- Schloss Elmau
- Stadtgarten Köln
- Theaterhaus Stuttgart e.V.
- Verein zur Förderung des zeitgenössischen Jazz in Darmstadt e.V.
- Winterjazz Brelingen
- Winterjazz Köln
- Zeche Carl Essen
- Zoglau3
…
(2) In Bezug auf die Förderung von Spielstätten, Initiativen und Festivals weist die Deutsche Jazz Föderation (DJF) darauf hin, dass es einer spezifischen institutionellen Unterstützung bedarf, die unabhängig von der jeweiligen Rechtsform gewährt werden muss und sowohl durch Zuwendungen, Steuernachlässe, Kostenzuschüsse und geldwerte Vorteile wie Sachspenden oder kostenlose Bereitstellungen gestaltet werden kann.
Musiker*innen
Stellvertretend für die Deutsche Jazzunion e.V. und ihre Mitglieder:
Anette von Eichel, Felix Falk, Robert Lucaciu, Gabriele Maurer, Nikolaus Neuser, Johanna Schneider und Janning Trumann (Vorstand); Urs Johnen (Geschäftsführer)