+++ Weniger Sendezeit, Sichtbarkeit und Qualität in der linearen Berichterstattung treffen Jazz und Improvisierte Musik unmittelbar
+++ Fehlende Abbildung regionaler Szenen und weniger Förderung unkommerzieller Inhalte
+++ Deutschen Jazzunion fordert Bewusstsein bei Verantwortlichen für die unmittelbaren Folgen der Jazz- und Improvisationsszene
Berlin, 25.09.2025 | Ein Jahr Rundfunkreform und kein Grund zum Feiern – zumindest wenn man Jazzmusiker*in ist. Denn die Reformierung des ÖRR und die damit verbundene Neuausrichtung hat Folgen: Schon jetzt zeigt eine aktuelle Mitgliederumfrage der Deutschen Jazzunion erste negative Auswirkungen für Musiker*innen der Jazz- und Improvisationsszene in Deutschland. So geben 43,4 % der befragten Mitglieder an, direkt von der Reform betroffen zu sein. Mehr als die Hälfte beobachtet eine deutliche Reduzierung der musikalischen Sendezeit und eine geringere Berichterstattung.
Insbesondere die Diversität, die Qualität der Berichterstattung sowie die Sichtbarkeit von Jazz und Improvisierter Musik nehmen laut Umfragebeteiligten im Radio ab: „Von der Ausrichtung her scheint durch Einsparungen und Reformen weniger Platz für kleinere, oft unkommerzielle Themen zu sein, während der Mainstream stärker in den Vordergrund rückt. Das eigentliche Potenzial des ÖRR liegt ja gerade in der Nähe, Vielfalt und der Aufmerksamkeit für besondere Inhalte, die sonst wenig Beachtung finden. Wenn dieser Bereich aufgegeben wird, verliert der Rundfunk seinen Kern und verfehlt seinen Bildungsauftrag.“
Zudem berichten Musiker*innen von einer geringeren lokalen Berichterstattung aufgrund der Dezimierung der Jazzredaktionen. Die Musik werde aus dem linearen Fernsehen verbannt und auf Mediatheken umgelagert, die unübersichtlich seien. Die Sichtbarkeit für diese Musiker*innen werde damit massiv eingeschränkt!
Was sich aber auch zeigt: Es gibt durchaus noch sehr gute und hochwertige Autor*innen-Sendungen – etwa beim BR, SWR oder beim Deutschlandfunk – eben dort, wo noch Journalist*innen vom Fach arbeiten. Tagsüber setzen zwar manche Sender verstärkt auf Jazz-Formate, allerdings bleibt es fraglich, welche Inhalte tatsächlich gespielt und wie sie vermittelt werden. Fachliche Expertise scheint zunehmend zu fehlen. Besonders deutlich zeigt sich die Entwicklung beim rbb: Mitschnitte sind dort selten geworden – wenn es sie überhaupt noch gibt.
Die geringere Sendezeit für Jazz und Improvisierte Musik wirkt sich nach den Angaben der Umfrageteilnehmenden schließlich auch auf die GEMA- und GVL-Ausschüttungen aus.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unterhalten nicht zuletzt auch Bigbands, die für die Sichtbarkeit von Jazz und Improvisierter Musik essenziell sind, da sie ein wachsendes Publikum anziehen und immer wieder neue Impulse setzen. Auch sie werden perspektivisch unmittelbar von den Sparmaßnahmen betroffen sein, denn schon jetzt wird vielerorts über Kürzungen und eine Umwandlung der Klangkörper gesprochen.
Vor dem Hintergrund dieser absehbaren gravierenden Auswirkungen auf die Jazz- und Improvisationsmusik erneuert die Deutsche Jazzunion ihre Forderungen an die Eintscheidungsträger*innen der Rundfunkanstalten:
- Verantwortliche müssen sich der Auswirkungen aufgrund der bereits erfolgten Kürzung des Jazzbudgets sowie des Produktions- und Mitschnittbudgets bei den Landesanstalten bewusst werden
- Erhalt und Wiederherstellung der Programmvielfalt bei der Transformation vom Linearen ins Digitale
- Aufbau eigenständiger, journalistisch fundierter digitaler Jazzformate
- Stärkung und verlässliche Abbildung regionaler sowie musikalischer Vielfalt
- Langfristige Sicherung der jazzjournalistischen Fachexpertise innerhalb aller Sendeanstalten
- Erhalt der rundfunkeigenen Big Bands
Die Dekonstruktion der Strukturen des ÖRR ist nicht hinnehmbar. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Spannungen braucht es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der Vielfalt hörbar macht und Jazz und Improvisierte Musik gehören unverzichtbar dazu. Damit sie auch künftig im öffentlichen Bewusstsein präsent bleiben, muss der Rundfunk seinem Bildungs- und Kulturauftrag wieder gerecht werden.
Über die Deutsche Jazzunion
Die Deutsche Jazzunion tritt seit 1973 als Berufs- und Interessenvertretung auf Bundesebene für die Belange der professionellen Jazzszene in Deutschland ein. Zu den zentralen Zielen der Deutschen Jazzunion gehören eine verbesserte Präsenz und Wahrnehmung des Jazz in Deutschland sowie eine funktionsfähige Infrastruktur, in der Musiker*innen leben, arbeiten und kreativ sein können.
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Weitere Informationen: www.deutsche-jazzunion.de