Bericht vom Programm der Deutschen Jazzunion auf der jazzahead! 2023

Vom 27.–30. April fand die jazzahead! 2023 in Bremen statt. Wir waren mit Team und Vorstand vor Ort und blicken auf interessante, vielseitige und ausgefüllte Messetage zurück.

An unserem Stand, den wir in diesem Jahr als begehbare Infobox mit Posterausstellung zu unseren Kernzielen sowie der Geschichte und Gegenwart der Deutschen Jazzunion gestaltet haben, wurden unzählige Gespräche geführt.


Gespräche am Stand der Deutschen Jazzunion auf der jazzahead! 2023 (© Stefanie Schlesinger)

Wie gewohnt fand außerdem unsere erste Mitgliederversammlung des Jahres statt. In gemütlicher Atmosphäre im Kulturzentrum Schlachthof direkt auf dem Messegelände wurde für die Mitglieder vor Ort und in der digitalen Konferenzschalte aus unseren zahlreichen Projektbereichen und Arbeitsfeldern berichtet und der Jahresabschluss 2022 vorgestellt. Nach einer ausführlichen Diskussion zur Vergütung von ehrenamtlichen Tätigkeiten insbesondere im Vorstand sowie einem offenen Austausch wurde zum Abschluss der Versammlung unser langjähriges Mitglied, der Schlagzeuger Udo Dahmen, mit der Ehrennadel der Deutschen Jazzunion ausgezeichnet. (>>> Hier geht es zum Beitrag.)

Darüber hinaus haben wir uns mit drei Programmpunkten in das Konferenzprogramm der Messe eingebracht. Und natürlich haben wir auch die dritte Auflage der Verleihung des Deutschen Jazzpreises verfolgt, die am Donnerstag im Metropoltheater Bremen über die Bühne ging.

Hier ein kurzer Bericht von den drei Veranstaltungen der Deutschen Jazzunion auf der jazzahead! 2023:

• Wie könnte und sollte ein Aufbruch in eine diversitätssensible, queerfreundliche, inklusive und diskriminierungsfreie Jazzszene, die für alle gleichermaßen zugänglich ist, aussehen und gestaltet werden? Dieser und damit verbundenen Fragen gingen wir beim Round Table im Rahmen unserer Digitalen Akademie “Insight Out” auf den Grund. Zu Gast bei uns waren Friede Merz und Erik Leuthäuser von der im letzten Jahr gegründeten Initiative Queer Cheer sowie Johanna Melder und Catalina Valencia von der ebenfalls sehr neuen Kölner Gruppe FLINTA* Empowerment Cologne. Unsere vier Gäst*innen einte vor allem ihr Wunsch nach mehr Vernetzung, Austausch und Sichtbarkeit sowie einer Bündelung der schon vorhandenen Kräfte und Stärken, der sie dazu motivierte, ihre Initiativen ins Leben zu rufen oder diesen beizutreten. Es wurde betont, wie wichtig es gerade für marginalisierte Gruppen ist, Communities entstehen zu lassen und zu haben, in denen man sich wertgeschätzt und gesehen fühlt und die einem Kraft geben. Und wie stärkend die Erkenntnis sein kann, dass man nicht alleine ist, sei es mit beruflichen Hürden im Jazz, mit Diskriminierungserfahrungen oder mit den eigenen Zukunftsvisionen für eine offene Jazzszene, in der sich alle willkommen und vor allem auch sicher fühlen. Wichtig ist dabei nicht immer ein klar formuliertes, gemeinsames Ziel, sondern vor allem der Wunsch, gemeinsam etwas zu bewegen und der Mut, einfach mal anzufangen.
  
  
• Das International Panel mit Camilla Juul Kjærgaard, Dr. Pedro Cravinho, Agnete Seerop, Dick Them, Beatriz Ortega und Gabriele Maurer widmete sich der Frage einer nachhaltigen Zukunft für den Jazz. Die Panelist*innen wurden sowohl zu spezifischen Projekten befragt als auch zu der Situation für Künstler*innen im Bereich des Jazz und der improvisierten Musik in ihrem Land. Die Gruppe aus Dänemark stellte Jazz for Girls vor, Ortega das Femina Jazz Festival und berichtete außerdem von den neuen Gesetzen nach französischem Vorbild zur sozialen und Einkommenssicherung von Künstler*innen in Spanien. Maurer berichtete von der Situation in Deutschland und den Ergebnissen der Jazzstudie 2022. Allgemein wurde der Wunsch nach mehr internationaler Vernetzung und größerer Transparenz bezüglich der Gagen-Standards laut.
  
  
• "Alarmierende Befunde": So die Ankündigung der Präsentation der Jazzstudie 2022 mit Urs Johnen, dem Geschäftsführer der Deutschen Jazzunion, am dritten Tag der jazzahead!. 100 Millionen Euro mehr für Jazzmusiker*innen! Mit dieser provokant formulierten These und dem Postulat, dass es sich bei Maßnahmen zur Verbesserung der Einkommenssituation und Altersvorsorge von Künstler*innen um eine sozialstaatliche Herausforderung handele, fesselte Johnen seine Zuhörer*innen sofort. Die in der Studie erhobenen Daten zeigten, dass das durchschnittliche Jahreseinkommen von Jazzmusiker*innen derzeit etwa 40 Prozent unter dem der Allgemeinbevölkerung liegt – mit entsprechenden Folgen für soziale Absicherung und Rentenerwartung sowie Berufszufriedenheit und mentale Gesundheit. Die angeregte Diskussion mit dem Publikum wies u.a. darauf hin, dass die prekäre, sozioökonomische und herausfordernde berufspraktische Situation der Protagonist*innen der Jazzszene längst nicht überall bekannt ist. Es gibt also in verschiedener Hinsicht viel zu tun – die Befunde der Jazzstudie 2022 liefern dafür eine gute Basis.