Unter dem Titel “Wertschätzende Kommunikation im Jazz-Alltag” ist Tanja Witten, Bildungsreferentin vom “Institut für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation e.V.” aus Hamburg vom “Insight Out”-Team der Jazzunion eingeladen worden, uns Werkzeuge für eine bessere Kommunikation mit an die Hand zu geben. Mit im Gepäck hat sie die vom US-Amerikaner Marshall Rosenberg entwickelten Konzepte der gewaltfreien oder achtsamen Kommunikation.
Wertschätzend ist Tanjas Kommunikationsstil im Rahmen dieser Veranstaltung der Digitalen Akademie Insight Out allemal. Von Anfang an merken wir, dass sie immer darauf bedacht ist, sich dankbar zu zeigen für unser Interesse und alle Beiträge aus der Runde. Ein Blick auf die zwei weiteren Begriffe, mit denen das Konzept häufig beschrieben wird, offenbart direkt viel über die Kernprinzipien des Ansatzes. Achtsam ist diese Form der Kommunikation in mehrfacher Weise - es wird immer auch auf die Perspektive der anderen Konfliktpartei geachtet und dabei ständig beobachtet, welche eigenen Muster oder schlechte Angewohnheiten einem bei der konstruktiven Bearbeitung des Konflikts im Weg stehen. Gewaltfreiheit bedeutet hier, dass Bedürfnisse nie ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer durchgesetzt werden sollen. Dass für unsere Ohren Gewalt häufig mit direkter physischer Gewalt assoziiert wird, mag wohl einer der Gründe sein, warum sich im deutschen Sprachraum andere Begriffe etabliert haben. Die Ideen, die Rosenberg in einem spezifischen historischen Kontext, der Zeit der Bürgerrechtsbewegung in den USA, entwickelt hat, sind trotzdem heute noch weit verbreitet und finden in verschiedenen Variationen ihre Anwendung in der Bewältigung von Konflikten wie sie auch in unserem Alltag immer wieder auftauchen können. Die Arbeit als Jazzmusiker*in ist nicht nur im Moment des Musikmachens ein sozialer Akt. Auch alles, was drumherum passiert, fragt immer wieder nach großer Kompetenz im Kommunizieren. An den Fähigkeiten in diesem Bereich zu arbeiten kann - auch im Sinne der Professionalisierung - also sicher nicht schaden.
Kommen wir nach dieser theoretischen Einleitung zum eigentlichen Workshop. Tanja will uns zu Anfang auf das Prinzip der “Fehlerfreundlichkeit” einstimmen. Nur wenn Fehler zugelassen werden, können wir aus ihnen lernen, und die Notwendigkeit zu Lernen bzw. zu Üben, ist bei einem solchen Thema, welches sich mit unseren eingefahrenen Kommunikationsmustern beschäftigt, eine Selbstverständlichkeit. Immer wieder wird während der Veranstaltung klar, dass die Konzepte zwar schnell einleuchten, aber in ihrer Umsetzung vieler Erfahrung bedürfen. Zunächst bekommen wir einen Rahmen an die Hand gegeben, was einen Konflikt ausmacht, nämlich eine “scheinbare Unvereinbarkeit” von Gedanken, Gefühlen oder Wahrnehmungen sowie von Interessen, Absichten oder Zielen. Diese gefühlten Unvereinbarkeiten führen dazu, dass eine oder mehrere Parteien eine Beeinträchtigung erfahren. Im Verhandeln dieser Konflikte greifen viele Menschen unbewusst zu hinderlichen Kommunikationsmustern. Zwei Probleme, die wir im Workshop etwas ausführlicher besprechen, sind ´stille Annahmen` und verschiedene Arten von Zuschreibungen. Erstere sind meist Annahmen über das, was andere denken, die in einem Teufelskreislauf ihr eigenes Leben entwickeln können, ohne, dass jemals überprüft wird, ob sie wirklich zutreffen. Problematisch sind aber auch Äußerungen wie: “Du bereitest die Stücke nie richtig vor”, die eher als Angriff gewertet werden und zu keinem echten Austausch führen. Ziel wäre es stattdessen, empathisch zu sein und die (unbefriedigten) Bedürfnisse, die normalerweise bei allen Konfliktparteien vorhanden sind, zu erkennen, und durch diese Erkenntnis zu einer Lösung zu finden.
Die zentrale Methode, die Tanja uns dafür vorstellt, ist der sogenannte ´Vierer Schritt`. Der erste Schritt ist eine reine Beschreibung des Wahrgenommenen bzw. der Situation. Diese Beschreibung ist möglichst frei von Bewertung . Es wird nur das wiedergegeben, was eine Kamera und ein Mikrofon auch aufzeichnen könnten. Erst im zweiten Schritt kommen dann die eigenen Gefühle hinzu. Hier ist jedoch noch darauf zu achten, keine Interpretationen vorzunehmen, die direkt als Angriff gewertet und zu einer Abwehrhaltung führen könnten. Im folgenden dritten Schritt kommen nun die eigenen Bedürfnisse ins Spiel. Doch vorerst sollten die Bedürfnisse von Wünschen getrennt werden, weil die bereits implizieren, auf welche Weise ich diese Bedürfnisse befriedigt sehen möchte. Erst im vierten Schritt wird schließlich die Brücke zum konkreten Handeln geschlossen, indem eine Bitte an das Gegenüber gerichtet wird. Im Proberaum könnte dies beispielsweise folgendermaßen ablaufen: 1. “In den letzten zwei Proben haben wir verhältnismäßig viel Zeit benötigt für das gemeinsame Erarbeiten der neuen Stücke”, 2. “In diesen Proben fühle ich mich gestresst und habe Sorgen, dass wir am Tag des Auftritts nicht gut vorbereitet sein werden, außerdem löst die Situation bei mir Frust aus.”, 3. “Mir ist wichtig, dass wir die beste Musik machen, die wir in dieser Besetzung machen können, und dass wir uns dabei nicht stressen müssen”, 4. “Ich möchte dich deshalb bitten, bereits mehr Vorbereitungszeit der Stücke vor unseren Proben einzuplanen. Ist das für dich möglich in nächster Zeit?” Für eine solch banale Sache mag der Vierer-Schritt aufwändig erscheinen, aber sein genauer Ablauf soll dafür Sorge tragen, dass man eben nicht ungewollt wieder in Muster gelangt, die die offene Kommunikation behindern.
Da es natürlich schwierig ist, sich in Alltagssituationen immer sofort auf alle einzelnen Schritte zu besinnen, empfiehlt Tanja, sich zunächst explizit Zeit für Gespräche nach dem Vierer-Schritt zu nehmen und erst später, wenn mehr Erfahrung mit dieser Art der Kommunikation gemacht wurde, die Methode direkt in einer konfliktreichen Situation anzuwenden. Es kamen auf jeden Fall während dieses partizipativen Workshops genug Beispiele aus den Reihen der Teilnehmenden auf. Vielleicht nimmt die eine oder der andere ja den Vierer-Schritt mit zur nächsten Probe oder ins nächste Gespräch mit dem Konzertveranstalter.
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Leon Senger
ist Schlagzeuger und Klangkünstler. Seit dem Abschluss seines Jazz & Pop Studiums am Konservatorium in Arnheim (NL) wohnt er in Mainz, um dort im Masterstudium Klangkunst-Komposition seine künstlerische Praxis zu erweitern. Gleichzeitig hat er das Schreiben für sich (wieder-)entdeckt und beschäftigt sich mit verschiedenen Themen in den Bereichen Jazz, improvisierter Musik und Kunst.
Kontakt
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Markgrafendamm 24 - Haus 16
10245 Berlin
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