Stand 04.05.2021
Präambel
Jazz und Improvisierte Musik in und aus Deutschland erfahren in aller Welt große Wertschätzung. Die vielfältigen und traditionsreichen Szenen des Jazz, der Improvisierten Musik und vieler angrenzender und ineinander übergehender Bereiche wie der Pop-, Rock- und Weltmusik oder der zeitgenössischen klassischen Musik sind elementare Bestandteile unserer reichhaltigen Kulturlandschaft und locken Menschen aus vielen Ländern der Welt zum Studieren und zum künstlerischen Arbeiten nach Deutschland.
Jazz und Improvisierte Musik bereichern das kulturelle Leben und stehen zudem für viele Werte, die für ein friedliches Miteinander in unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft und in unserer globalisierten Welt unverzichtbar sind. Toleranz, Selbstbestimmtheit, Willensstärke, Offenheit und Neugier zählen zu diesen Werten, die in der universellen Sprache des Jazz und der Improvisierten Musik gelebt werden und zum Ausdruck kommen. Als Kunstformen wirken Jazz und Improvisierte Musik innovativ und dialogstiftend in viele gesellschaftliche Bereiche. Diese Potentiale müssen kulturpolitisch vermittelt und strukturell gestärkt werden.
Die Lebens- und Arbeitsbedingungen für Musiker*innen dürfen dabei nicht aus dem Fokus geraten. Wenngleich Jazz wie jegliche Kunst grundsätzlich und zweckfrei ein schützenswertes gesellschaftliches Gut ist, so erfordern auch die nicht zuletzt in Krisenzeiten immer deutlicher werdende gesellschaftliche Funktion und die daraus resultierende gegenseitige Verantwortung angemessene Vergütungen für Künstler*innen und Musikpädagog*innen sowie eine verlässliche soziale Absicherung und Altersvorsorge. Voraussetzung dafür ist eine zukunftsorientierte Fördersystematik aus öffentlichen Mitteln sowie eine funktionierende Infrastruktur im Bereich der Spielstätten, der Medien, der Ausbildung und des internationalen Austauschs.
Öffentliche Kulturförderung dient der gemeinschaftlichen Finanzierung einer notwendigen gesellschaftlichen Infrastruktur und ist zwingende Voraussetzung für ein vielfältiges Kulturangebot, dessen Zugänglichkeit für alle Menschen in Deutschland heute wichtiger ist denn je. Um künstlerischen Diskursen Spielraum zu geben, Experimente zu ermöglichen und ein Bestehen im internationalen Wettbewerb zu sichern, ist kulturpolitische Unterstützung und spezifische Förderung aus öffentlichen Mitteln für die freien Szenen im Jazz und der Improvisierten Musik unverzichtbar.
Die Deutsche Jazzunion setzt sich als Berufsverband und Interessenvertretung der Jazzmusiker*innen in Deutschland insbesondere für die folgenden Ziele ein:
Die Deutsche Jazzunion fordert eine angemessene Vergütung von Jazzmusiker*innen. Dafür bedarf es eines besseren Verständnisses der Lebens- und Arbeitssituation von Jazzmusiker*innen sowie von deren unternehmerischem Handeln als meist soloselbstständigen Kulturschaffenden.
Basierend auf der Jazzstudie 2022 hat die Deutsche Jazzunion eine Richtlinie zur Vergütung von Jazzmusiker*innen veröffentlicht und damit die Mindestgagenempfehlung von 2014 den aktuellen Bedingungen angepasst. Diese sollte in allen Förderinstrumenten des Bundes und der Länder als selbstverständliche Untergrenze für die Berechnung von Gagensätzen bei Projekten und Veranstaltungen mit maßgeblicher öffentlicher Förderung gelten.
→ Mindestgage
Die Deutsche Jazzunion sieht dringenden Handlungsbedarf bei der sozialen Absicherung von Jazzmusiker*innen. Durch die Corona-Krise ist die individuelle Situation von Akteur*innen unter besonders kritischen Druck geraten, der nicht nur aktuell, sondern wie beim Thema Altersvorsorge mit mehreren Jahren Verzögerung zu großen Problemen führen kann. Darauf braucht es sozial- und kulturpolitische Antworten. Die Künstlersozialkasse (KSK) bietet sozialen Schutz in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und ist damit ein unverzichtbares Instrument der sozialen Sicherung auch von Jazzmusiker*innen, das weiter ausgebaut und den Anforderungen der versicherten Künstler*innen gemäß weiterentwickelt werden muss.
Sozial- und arbeitspolitische Fragestellungen zur Altersvorsorge wie eine für alle zugängliche Grundrente betreffen Kunst- und Kulturschaffende in vielen Sparten gleichermaßen. Deshalb arbeitet die Deutsche Jazzunion als Gründungsmitglied der Allianz der Freien Künste eng mit vielen anderen Bundesverbänden zusammen.
→ www.allianz-der-freien-kuenste.de
→ Unterseite Netzwerke
Die Deutsche Jazzunion setzt sich für einen Ausbau der öffentlichen Förderung für Jazz und Improvisierte Musik ein und beteiligt sich an der Ausgestaltung spezifischer Förderinstrumente auf Bundesebene. Wichtiges Ziel ist, dass Musiker*innen im Jazzbereich mit ihren Projekten nicht in eine strukturelle Förderlücke zwischen den aktuell einerseits eher zeitgenössisch-experimentell und andererseits stärker wirtschaftlich-kommerziell ausgerichteten Programmen fallen.
Mit dem Musikfonds als Bundesfonds für zeitgenössische Musik, dem Spielstättenprogrammpreis APPLAUS sowie dem Deutschen Jazzpreis sind unter maßgeblicher Mitwirkung der Deutschen Jazzunion wichtige Verbesserungen für die Realisierungsmöglichkeit und internationale Sichtbarkeit von Jazz und Improvisierter Musik auf den Weg gebracht worden. (www.musikfonds.de, www.deutscher-jazzpreis.de)
Auch die Förderprogramme der Initiative Musik sind wichtige Bausteine für eine zeitgemäße Förderlandschaft. Allerdings gilt es, die eingeleiteten institutionellen Verbesserungen konsequent weiterzuführen und dabei unter anderem eine verbesserte Aufsichts- und Jurystruktur inkl. angemessener Jazzrepräsentanz aufzubauen, um den Förderzielen auch im Bereich Jazz und Improvisierte Musik gerecht werden zu können. (www.initiative-musik.de)
In alle für den Jazzbereich relevanten Institutionen und Gremien, die über Fördermittel oder konkrete Rahmenbedingungen entscheiden, müssen Jazz-Expert*innen und insbesondere Musiker*innen in ausreichender Anzahl und Vielfalt vertreten sein. Dazu zählen beispielsweise die GEMA, die KSK, die GVL, die Initiative Musik oder das Goethe-Institut.
Jazz muss wie alle Kultur als Daseinsfürsorge verstanden und als Teil der öffentlichen Infrastruktur finanziert werden – nicht als „freiwillige Leistung“. Hier stehen im föderalen System explizit auch die Länder und Kommunen in der Pflicht.
Projekte und Spielstätten für Jazz und Improvisierte Musik müssen langfristig gefördert werden – es müssen Wege weg von kurzfristiger Projektförderung hin zu einer mehrjährigen Förderperspektive gefunden werden.
Die Deutsche Jazzunion fordert eine offene politische Auseinandersetzung mit innovativen Ansätzen wie etwa der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens für Kunstschaffende.
Die Deutsche Jazzunion fordert einen Ausbau der öffentlichen Förderung von Spielstätten und die Etablierung von öffentlich weitreichend unterstützten Zentren für Jazz und Improvisierte Musik in allen größeren deutschen Städten.
Mit dem Vorhaben für ein solches Zentrum in Berlin, an dessen Konzeption und Realisierung die Deutsche Jazzunion maßgeblich beteiligt ist, setzen Bundesregierung und Berliner Senat ein wichtiges und international wahrnehmbares Signal.
Durch den von der Deutschen Jazzunion mitgestalteten Spielstättenprogrammpreis APPLAUS erhalten herausragende Konzertorte und -reihen zusätzliche Bundesmittel, um die Konditionen für Künstler*innen weiter zu verbessern. Diese Auszeichnung durch die Bundesregierung ist ein wichtiges Signal für die ganze Szene und muss deshalb ausgebaut sowie verstetigt werden. (www.initiative-musik.de/awards/applaus)
Gerade die wichtigen Impulse aus Bundesprogrammen müssen zur Folge haben, dass Länder und Kommunen stärker in die Verantwortung gehen und für eine funktionierende Spielstätten-Infrastruktur in allen Teilen Deutschlands sorgen.
Auch im Programm der öffentlich geförderten Konzerthäuser und Festivalbühnen müssen Jazz und Improvisierte Musik noch präsenter werden.
Jede Stadt und Kommune muss zudem sicherstellen, dass neben für alle zugänglichen Konzertorten für Jazz und Improvisierte Musik auch ausreichend Probe- und Arbeitsräume zu angemessenen Konditionen zur Verfügung stehen.
Jazz und Improvisierte Musik gehören zu unserer Kulturtradition und müssen für alle Menschen gleichermaßen zugänglich sein. Die frühe Auseinandersetzung mit Jazz und Improvisierter Musik als Kunstform und Kulturtechnik hat einen wichtigen pädagogischen Wert und muss stärker in den Lehrplänen der allgemeinbildenden Schulen verankert werden.
Hochwertige Kinderkonzerte und -workshops mit dem Schwerpunkt Jazz und Improvisierte Musik gehören überall ins Programm der öffentlich geförderten Kulturstätten. Auch Schnittstellen zwischen Jazzvermittlung und anderen pädagogischen Bereichen wie der politischen und kulturellen Bildung müssen gezielt gefördert werden.
Die Deutsche Jazzunion setzt sich für eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse in der Lehre an Musikhochschulen und Musikschulen ein. Länder und Kommunen müssen sichere Arbeitsplätze im musikpädagogischen Bereich schaffen und Jazzpädagog*innen ein angemessenes Einkommen aus ihrer Arbeit ermöglichen.
Jazz und Improvisierte Musik müssen in allen Medien wesentlich stärker vertreten sein, als dies aktuell der Fall ist. Insbesondere im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und überall dort, wo öffentliche Gelder Verwendung finden, müssen der Bildungsauftrag und ein entsprechend anspruchsvolles Angebot den klaren Vortritt gegenüber an Reichweiten oder Gewinn orientierten Ansätzen haben.
Die Deutsche Jazzunion betrachtet den fortschreitenden Stellenabbau im Bereich der Jazzredaktionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit großer Sorge. Rundfunkanstalten müssen angemessene Sendeplätze zur Verfügung stellen, um Jazz und Improvisierte Musik ihrem kulturellen Stellenwert entsprechend zu präsentieren. Dies erfordert ausreichende Personalressourcen und spezifische Kompetenzen in den Redaktionen.
Eine angemessene Vergütung für Urheber*innen und ausübende Musiker*innen muss in allen Medienarten gewährleistet werden. (So sieht die Richtlinie zur Vergütung von Jazzmusiker*innen vor, dass bei Konzerte mit Rundfunkmitschnitten der Verkauf von Senderechten zusätzlich zur Konzertgage gesondert verhandelt werden und mit mindestens 1.500 Euro pro Konzert vergütet werden soll. Weitere Informationen dazu hier → Mindestgage. Die Deutsche Jazzunion unterstützt dabei unter anderem die Bemühungen der Initiative Urheberrecht für die Berücksichtigung der Interessen von Urheber*innen bei der Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2020 in deutsches Recht. (www.urheber.info)
Jazzmusiker*innen aus Deutschland erfahren weltweit große Anerkennung und übernehmen vielfach Aufgaben als kulturelle Botschafter*innen Deutschlands. Um die internationale Sichtbarkeit weiter zu erhöhen, brauchen wir ein unbürokratisches und schnelles Exportförderprogramm – vergleichbar den Programmen vieler europäischer Nachbarländer, die ihren Musiker*innen bereits seit Jahren Fahrtkosten- und Unterbringungszuschüsse für Auslandstourneen zahlen.
Die vorhandenen Tourneeförderprogramme der Initiative Musik und des Goethe-Instituts reichen dafür nicht aus und müssen unabhängig von ihrer Ausstattung unter Einbeziehung entsprechender Expertise stärker auf die Belange von Jazzmusiker*innen ausgerichtet werden.
Um den Stimmen der Jazzmusiker*innen in den kulturpolitischen Diskursen in Deutschland und Europa mehr Gewicht zu verleihen, setzt sich die Deutsche Jazzunion für eine Stärkung der bundes- und europaweiten sowie spartenübergreifenden Verbands- und Netzwerkstrukturen ein.
Auf Initiative der Deutschen Jazzunion haben sich Vernetzungsplattformen auf europäischer und Bundesebene gebildet, die einen besseren Informationsaustausch ermöglichen. Im föderalen Bundesgebiet brauchen wir eine stärkere Verzahnung der kulturellen Belange auf allen politischen Ebenen sowie mehr Dialog zwischen Jazz- und Politikschaffenden. Auf europäischer Ebene arbeitet die Deutsche Jazzunion gemeinsam mit Verbänden aus vielen Ländern an einer gemeinsamen Interessenvertretung für alle Jazzmusiker*innen in Europa, der Voice of European Jazz Musicians – VJME.
Die Deutsche Jazzunion engagiert sich in übergreifenden Strukturen wie dem Deutschen Musikrat, dem Deutschen Kulturrat, der Kulturpolitischen Gesellschaft und der Allianz der Freien Künste. Sie arbeitet außerdem eng mit den Gremien der Verwertungsgesellschaften GEMA und GVL zusammen. (www.musikrat.de, www.kulturrat.de, www.kupoge.de, www.allianz-der-freien-kuenste.de, www.gema.de, www.gvl.de)
Jazz und Improvisierte Musik finden immer im gesellschaftlichen Raum statt und reflektieren diesen ästhetisch. Die aktive Mitgestaltung der gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für die Berufsausübung von Jazzmusiker*innen liegt deshalb ebenso im Kerninteresse der Deutschen Jazzunion wie die Weiterentwicklung der künstlerisch-kulturellen Diskurse.
Vor dem Hintergrund globaler Herausforderungen ergibt sich daraus auch eine besondere Verantwortung im Sinne ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Die Deutsche Jazzunion sieht Bestrebungen etwa zum Abwenden des Klimawandels und zum Erreichen der Gleichstellung von Menschen jeglichen Geschlechts sowie zur Bekämpfung von Diskriminierungen in allen Erscheinungsformen als übergeordnete Anforderung an alles individuelle und gesellschaftliche Handeln.
Die Deutsche Jazzunion setzt sich für ein friedliches und wertschätzendes, von Diversität belebtes gesellschaftliches Miteinander ein und lehnt jede Form von politisch, religiös oder weltanschaulich motiviertem Extremismus ab. Jazz leistet wie auch andere Kunstformen einen wichtigen Beitrag zu einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft, zum internationalen Austausch und zur Völkerverständigung.
Kontakt
Deutsche Jazzunion e. V.
Markgrafendamm 24 - Haus 16
10245 Berlin
Deutschland
post@deutsche-jazzunion.de
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